Hilfe für Eltern / Allgemeine Tipps

Zeit

Legasthene Kinder, besonders diejenigen, die Schwierigkeiten beim Lesen haben, brauchen deutlich länger für ihre Aufgaben als ihre Mitschüler. Zusätzlich müssen sie mehr für Diktate und andere Schultests üben. Zögern Sie nicht, mit der Lehrkraft einen geringeren Arbeitsumfang abzusprechen, um ihr Kind zu entlasten. Qualität geht vor Quantität! Sorgen Sie außerdem unbedingt dafür, dass dem Kind genügend Freizeit bleibt, um sich von der schulischen Belastung zu erholen. Das bedeutet nicht, dass man den Wochenplan mit Freizeitaktivitäten vollpacken muss. Auch ein Besuch bei der Freundin, ein Spiel mit den Eltern oder eine gemeinsame Fahrradtour sind gute Möglichkeiten, abzuschalten.

Erfolgserlebnisse und Lob

Weil legasthene Kinder täglich über mehrere Stunden hinweg mit ihren Schwierigkeiten konfrontiert werden, verlieren sie nicht selten ein großes Stück Selbstbewusstsein. Dieses muss daher unbedingt gepflegt oder wieder aufgebaut werden. Nutzen Sie die Stärken ihres Kindes. In einem Sportverein, bei der Feuerwehr oder in der Jugendgruppe kann das Kind Erfolgserlebnisse sammeln und auch einmal in eine andere Rolle schlüpfen als im Klassenzimmer, wo es doch meist auf Unterstützung angewiesen ist.
In Bezug auf die schulische Leistung loben Sie auch die kleinsten Fortschritte. Wenn das Kind bisher immer das Wort "und" mit "t" geschrieben hat und dieses Mal nicht, dann weisen Sie es darauf hin. ("Hey schau mal, du hast das "und" genau richtig geschrieben. Super!" und bitte nicht "Endlich hast du es mal gekonnt!"). Die Sache mit dem Lob ist nicht so einfach. Man muss sehr darauf achten, dass man keine Vergleiche anstellt oder durch einen Halbsatz alles wieder zu Nichte macht. Beobachten Sie sich dabei. Und als Faustregel gilt: "Für jede Kritik mindestens ein Lob!".

Leistungsdruck nehmen / Einstellung zu Fehlern überdenken

Hausaufgaben, zusätzliches Üben und auch der Schulunterricht sind Lernsituationen, die vom Kind aber oftmals als Prüfungssituationen aufgefasst werden. Es hat das Gefühl, alles sofort können zu müssen. Nehmen Sie ihm diesen Leistungsdruck. Geben Sie ihm immer die Möglichkeit nachzufragen oder noch besser, etwas nachzuschlagen. Nichts ist entmutigender als ein "Na, das musst du aber doch wissen. Das hast du doch erst vorhin gelesen!". Stellen Sie sich vor, sie bauen ein Regal auf und wissen nicht weiter. Und dann klappt ihr Partner die Anleitung mit den Worten "Na, überleg doch noch mal!" zu ...
Auch Ihre Einstellung zu Fehlern sollten Sie überdenken. Fehler sind immer ein Versuch, es richtig zu machen und dies ist unbedingt als positiv zu werten. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind würde das Schreiben komplett verweigern! Sprechen Sie neutral über die Fehler. Zählen Sie die Wörter, die richtig sind und Loben sie das, was gekonnt wurde. Auf das Falsche muss das Kind nicht noch extra hingewiesen werden. Kommen wir zurück zum Regalaufbau von oben: Beim Schrauben ist Ihnen ein Stück Holz ausgeplatzt und Ihr Partner meint: "Das sieht jetzt natürlich nicht gut aus!". Da nutzt auch ein nachgeschobenes "Aber sonst ist alles ganz prima!" nichts. Der erste Kommentar wurmt Sie einfach doch.
Klären Sie Ihr Kind über das Phänomen der Legasthenie auf. Zeigen Sie Verständnis dafür, dass es Probleme beim Lesen und / oder Schreiben gibt und versuchen Sie, Ihrem Kind die Zusammenhänge zu erklären. Sprechen Sie aber auch offen darüber, dass das Lesen und Schreiben wichtige Kulturtechniken sind, um die man nicht herum kommt und dass ein Mehraufwand an Lernen eben nötig ist. Vermitteln Sie Ihrem Kind die Sicherheit, dass Sie sich mit ihm da durchkämpfen werden.

Feste Rahmenbedingungen

Sowohl für die Hausaufgabenzeit als auch für das zusätzliche Üben sollte es einen festen Termin im Tagesablauf geben. Dieser richtet sich im günstigsten Fall nach dem Biorhythmus des Kindes. Nicht alle Menschen können gleich um 14.00 Uhr schon wieder Höchstleistungen erbringen. Manche brauchen erst etwas Abstand und können sich um 17.00 Uhr dann wieder besser konzentrieren ... probieren Sie es aus. Falls das Kind ihre Hilfe braucht, beispielsweise zum Vokabeln abfragen, vereinbaren Sie eine feste Uhrzeit. Dieser Termin wird auch dann eingehalten, wenn der Freund des Kindes Fußball spielen will oder die Freundin der Mutter anruft.

Hilfe annehmen / neutrale Personen einschalten

Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind frühzeitig Hilfe bekommt. Eine Legasthenie wächst sich nicht aus und die Probleme verschwinden nicht von alleine, sie vertiefen sich höchstens noch. Nutzen Sie daher ein Legasthenietraining oder lassen Sie sich individuell beraten, wie Sie selbst ihr Kind unterstützen können.
Wenn das Familienklima inzwischen unter dem Thema Schule leidet, kann es ebenfalls hilfreich sein, neutrale Personen einzuschalten. Dies kann die Hausaufgabenbetreuung der Schule sein, die Oma oder der Nachbarsjunge, der sich ein paar Euro verdienen möchte - geben Sie die Hausaufgaben und / oder Lernsituation zumindest ein paar Mal in der Woche in andere Hände.

Spaß am Lernen

Der Spaß am Üben muss erhalten bleiben oder wieder aufgebaut werden. Bereitet eine Tätigkeit keine Freude, kann man sie auch gleich lassen. Das Gelernte bleibt dann nicht lange im Kopf. Es gilt, abwechslungsreich zu üben. Im Folgenden finden Sie ein paar Ideen hierzu.
Aber Achtung! Diese Vorschläge beziehen sich meist nur auf die Arbeit an der Symptomatik. Um eine Legasthenie zu überwinden, müssen auch die Bereiche Aufmerksamkeit und Wahrnehmung gefördert werden. Lassen Sie sich daher individuell beraten oder nehmen Sie ein Legasthenietraining in Anspruch.


Tipps zur Leseförderung

  • Vorbild sein und selbst lesen!
  • Langsame Steigerung: Wenn Einzelbuchstaben klar zugeordnet werden, kommen Silben an die Reihe. Bereiten Silben keine Probleme mehr, werden Einzelwörter gelesen, später Einzelsätze und erst dann zusammenhängende Texte.
  • Lesehilfen wie ein Lineal, einen Stift oder eine Leseschablone nutzen. Sie halten den Blick des Kindes in der Zeile / beim jeweiligen Wort.
  • eReader testen: Hier lassen sich Schriftgröße, Schriftart und die Textmenge pro Seite individuell einstellen!
  • Brief- / Mailfreundschaften fördern. Vielleicht lässt sich zu Anfang die Patentante oder der Lieblingsonkel dazu motivieren, wöchentlich Neuigkeiten per Mail auszutauschen.
  • Kurze Artikel im Internet, in Lexika oder (Kinder-)Zeitschriften gemeinsam lesen und darüber sprechen.
  • Schriftliche Informationen zu einem Thema sammeln, das das Kind sehr interessiert. Alles in einen Ordner heften oder in ein Heft kleben - daraus entsteht ein eigenes Fachbuch.
  • Das Kind selbst ein Buch wählen lassen ... es muss nicht immer pädagogisch wertvoll sein.
  • Mit dem Kind gemeinsam lesen, also zeitgleich und laut den gleichen Text. Am besten zwei bis drei Mal hintereinander.
  • Mit dem Kind abwechselnd lesen - auch in verteilten Rollen, mit verstellten Stimmen, ...
  • Vorlesen, auch wenn das Kind zu alt dafür erscheint. Auch Erwachsene genießen Hörbücher!
  • Leserätsel und Lesespiele nutzen.
  • Spiele (PC-, Regel-, Quizspiele), die Lesen beiläufig beinhalten, nutzen.

Tipps zur Grammatikförderung

  • Fachbegriffe klären: Ein Memory aus lateinischen und deutschen Begriffen hilft dabei. Verb gehört zu Tunwort, Vokal zu Selbstlaut, Prädikat zu Satzaussage, etc.
  • Wortkarten (siehe unten) nach Wortarten sortieren. Verben pantomimisch darstellen lassen, mit Adjektiven Gegenstände beschreiben "Ich sehe was, was du nicht siehst", etc.
  • Die erste Vergangenheitsform aufschreiben, weil man sie in schriftlichen Arbeiten nutzt. Die zweite Vergangenheitsform ins Telefon sprechen, weil es die "Erzählzeit" ist.
  • Regelmäßigkeiten erklären, z.B.: Beim Verb in der 3. Person (er, sie, es) steht immer ein "t" am Ende. Legasthene Kinder erkennen dies oft nicht von alleine.
  • Alle Steine eines Wackelturms mit einem Verb beschriften. Zieht man einen Stein heraus, liest man das Wort vor und setzt es in die Personalstufe oder Zeitstufe, die gerade geübt werden muss. Dann erst wird der Stein oben aufgelegt.
  • Sätze auf Papierstreifen schreiben und die Satzglieder wirklich auseinanderschneiden, dann fällt das Umstellen sehr viel leichter.

Tipps zur Rechtschreibförderung

  • Eine "Kartei schwieriger Wörter" anlegen. Jedes Wort, das dem Kind Schwierigkeiten bereitet, wird auf eine Karteikarte geschrieben. Die Wortkarten kann man dann einzeln üben oder im Fünferpack. Man kann sie in Spiele (à la Montagsmaler, Pantomime, Tabu) einbauen oder jeden Morgen eine davon an den Spiegel kleben und beim Zähneputzen anschauen. Das alles eignet sich auch gut zum Vokabellernen (englisches Wort auf die Vorderseite, deutsches Wort auf die Rückseite).
  • Wörter einzeln erarbeiten. Die dreidimensionale Darstellung (kneten, aus Nüssen legen und dann aufessen, Holzbuchstaben, in Sand schreiben, WordArt) ist hier besonders wichtig. Besprechen Sie auch intensiv die Bedeutung des Wortes. Gerade bei abstrakten Begriffen (z.B. dann, immer, jemand) ist diese nicht immer klar.
  • Wörter nachspuren und dabei in Silben mitsprechen lassen, so oft bis sie wirklich beherrscht werden. Erst dann aus dem Gedächtnis schreiben lassen.
  • Diktate nicht zehn Mal diktieren! Kümmern Sie sich nur um die schwierigen Wörter. Lassen sie das Kind diese auch ruhig immer wieder nachschlagen - es übt ja noch! Malen Sie mit dem Kind ein Bild zum Diktat und beschriften Sie es gemeinsam. Lassen Sie das Kind den Text am PC abtippen. Verstecken Sie Wörter im Zimmer, lassen Sie diese suchen und aufschreiben. Etc.
  • Erstellen Sie gemeinsam mit dem Kind Wörtersammlungen zu bestimmten Themen (alle Wörter mit Doppelvokal, alle Begriffe aus der Wortfamilie "gehen"). Machen Sie dazu Plakate oder beschriften Sie Kärtchen, die sie in Dosen sammeln. Mit den Wörtersammlungen lässt es sich wieder wunderbar spielen.
  • Üben Sie das Sprechen in Silben. Klatschen Sie Wörter mit, laufen Sie Wörter. Spielen Sie einmal das Leiterspiel mit Bildkarten statt Würfel. Zieht man das Bild vom Regenschirm, darf man drei Felder weiterziehen (Re-gen-schirm), ...
  • Spielen Sie Sprachspiele wie Galgenmännchen, Scrabble, Alle Vögel fliegen hoch, Wortketten, ...

Seien Sie kreativ!